MÜNCHEN. (SR) Mögen noch manche Hürden bis zur ersten selbstfahrenden und autonom arbeitenden Baumaschine auf Baustellen in Deutschland zu überwinden sein, doch gewinnt das Thema Autonomie zunehmend an Bedeutung und zählte auch auf der bauma 2022 zu den großen Trends. Von einer einzelnen Maschine bis hin zu einer ganzen Flotte bietet Caterpillar inzwischen Kunden die Möglichkeit, ihre Geräte zu überwachen, zu automatisieren und zu verwalten, um Kosten zu senken, die Produktivität und Sicherheit zu verbessern und die Flottenauslastung zu maximieren. „Wir bewegen uns auf einer Reise in Richtung Autonomie, die gerade Fahrt aufgenommen hat. Das Ziel in der Zukunft sind vollautonome Baumaschinen und am Ende vollautomatisierte Baustellen, die ihre Arbeit quasi wie von selbst erledigen. Hier haben wir aber noch einen langen Weg vor uns“, so Dr. Hubert Mariutti, Leiter der Abteilung Service-Technik-Schulung bei Zeppelin.
Schon auf der letzten bauma wurde aufgezeigt, was heute schon möglich ist: Direkt einen Cat Kettenbagger 340 oder Kettendozer D7 stolze 2 368 Kilometer entfernt auf dem Demonstration- und Learning-Center von Caterpillar im spanischen Málaga steuern – und das ohne direkte Sichtverbindung nur anhand von Monitoren. Noch größer fällt die Distanz mit 9 419 Kilometern aus, wenn ein Cat Kettenbagger 320 und Cat Kettendozer D5 in Tucson im amerikanischen Arizona im Caterpillar Mining Center bewegt wird. So konnten Besucher im wahrsten Sinne selbst erfahren, was mittlerweile in puncto Cat Command, der Vorstufe zur autonom fahrenden Baumaschine, alles möglich ist. An Bildschirmen wurde ihnen angezeigt, wie Kettenbagger und Kettendozer in Echtzeit auf ihre Steuerbefehle reagieren und wie damit ein Aushub oder ein Planum realisiert werden kann.
Die geschilderte Vorstufe zur autonomen Baumaschine beruht auf der Fernsteuerung auf Basis einer maschinenähnlichen Bedienstation durch Übertragung der Steuerbefehle über Internet und VPN. Diese ist vollständig in die elektronischen und hydraulischen Systeme der Maschinen integriert, um eine schnelle Reaktion und reibungslose Bedienung zu gewährleisten. Die Betriebsbefehle werden direkt an die Elektronik der Maschine gesendet, was zu einer Echtzeit-Steuerung führt.
Vorgesehen ist der Einsatz solcher Systeme vor allem dann, wenn eine Gefährdung des Fahrers in der Kabine ausgeschlossen werden soll, oder wenn ein Bediener mehrere Maschinen nacheinander steuern muss. Die Fernsteuerung bietet volle Manövrierbarkeit der Maschine aus sicherer Entfernung, wenn zum Beispiel in potenziell gefährlichen Umgebungen gearbeitet wird wie bei der Kampfmittelräumung oder beim AKW-Rückbau, um nur einige Anwendungsfälle zu nennen. Durch die entfernte Bedienung wird auch die Rückkopplung von Maschinenvibrationen, die der Bediener spürt, ausgeschlossen, was die Ermüdung verringert. Typische Arbeitsunfälle, wie sie beim Besteigen oder Verlassen der Maschinen immer wieder passieren, werden ebenfalls reduziert. Die Technologie mag auch ein Ausweg aus dem Fachkräftemangel sein, weil sie den Betrieb mehrerer Maschinen durch wenige Bediener ermöglicht. Oder der Fahrer geht in Zukunft wie ein Mitarbeiter aus dem Büro ins Homeoffice und bewegt von dort aus seine Arbeitsgeräte. Auch für Mitarbeiter mit körperlichen Handicaps entstehen neue Berufsmöglichkeiten.
Der demografische Wandel und die sich wandelnde Altersstruktur unter den Fahrern befeuert die Entwicklung autonomer Baumaschinen – die Endstufe fahrerloser Assistenzsysteme. Cat Muldenkipper ohne Maschinisten drehen bereits heute ihre Runden in den großen Rohstoffminen. Zu den beförderten Rohstoffen gehören Eisenerz, Ölsand, Kupfer, Kohle und Gold. Weltweit übernehmen bereits über 500 autonome Cat Muldenkipper dank Cat Command for Hauling Transportaufgaben ohne Bedienpersonal in der Kabine. Es ist die größte aktive Flotte, die auf Onboard-Technologien zurückgreift. Quasi wie von Geisterhand suchen sich die Muldenkipper auf fest definierten Routen und basierend auf einem vorprogrammierten Ablaufplan ihren Weg durch die Lagerstätte. Sie können einer zugeordneten Spur durch ein sich ständig veränderndes Abbaugebiet folgen oder den besten Weg wählen, um die zugewiesenen Ladestellen anzusteuern, nehmen ihre Position für den Ladevorgang ein und fahren zum Abkippen zum Brecher, sobald die Mulde gefüllt ist. Geleitet werden sie von einem intelligenten Kontrollsystem. Dabei passieren sie andere Baumaschinen, ohne diese zu tangieren, und gehen ihren Aufgaben nach. Dazu sind die Muldenkipper mit einem System der Naherkennung und Kollisionsvermeidung ausgestattet, um Gefahren sofort zu identifizieren und zu umgehen. Die Muldenkipper bremsen automatisch ab, sobald sich ihnen etwas Unerwartetes in den Weg stellt, weichen aus oder nehmen, wenn die Einsatzbedingungen es erlauben, die maximale Geschwindigkeit auf. All das erfolgt ohne Bedienpersonal in der Kabine.
Die Palette der Cat Baumaschinen, die dafür infrage kommen und für den vollständig autonomen Betrieb geeignet sind, reicht von der 210- bis 400-Tonnen-Klasse und umfasst die Muldenkipper-Modelle 789D, 793D, 793F, 797F und 794 AC mit Elektroantrieb. „Wir erforschen weiterhin neue Wege mit Command for Hauling, um Fortschritte auf dem Weg zum vollständig autonomen Minenstandort zu machen und haben vor Kurzem mit mehr als 500 autonomen Muldenkippern einen wichtigen Meilenstein erreicht. Wir arbeiten derzeit an der Einführung neuer Produkte. Außerdem haben wir unser Command-System auf Wasserlastwagen für die Staubbekämpfung erweitert“, so Sean McGinnis, General Manager für Cat Mining. Die dafür nötige Hardware und Technologie wird derzeit auf dem Cat 789D in der Gudai-Darri-Mine von Rio Tinto in Australien eingesetzt.
Von 1994 bis 1995 machte Caterpillar bereits die ersten beiden Prototypen der autonom fahrenden Cat Muldenkipper 777C in einem texanischen Kalksteinbruch fahrbereit, wo sie erfolgreich mehr als 5 000 Ladungen über eine vier Kilometer lange Strecke transportierten. Im Jahr 2021 wurden inzwischen rund 1,2 Milliarden Tonnen Material autonom transportiert. Bis heute haben Muldenkipper, die mit dem autonomen Transportsystem von Caterpillar ausgestattet sind, mehr als 147 Millionen Kilometer ohne Unfallschäden zurückgelegt, was fast der Entfernung von der Erde zur Sonne entspricht. Sicherheit und Nachhaltigkeit haben in der Bergbauindustrie nach wie vor einen hohen Stellenwert. „Wir gehen nun in unser neuntes Jahr mit null Unfällen dank unseres Systems Command for Hauling – ein Beweis für seine Sicherheitsbilanz“, kommentierte Marc Cameron, Vice President bei Caterpillar Resource Industries, und er fügte hinzu: „Eine kürzlich von einem unserer Kunden durchgeführte Fünf-Jahres-Studie zum autonomen Transport von Eisenerz ergab eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs um elf Prozent, was zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 4 300 Tonnen pro Jahr führte, eine Steigerung der Stundenproduktion um elf Prozent, eine um 50 Prozent höhere maximale Fahrgeschwindigkeit und eine um 35 Prozent längere Lebensdauer der Reifen.“
Trotzdem rechnet hierzulande noch niemand so schnell mit der Umsetzung. „Eine „echte“ Autonomie bei Baumaschinen ist in absehbarer Zeit kaum vorstellbar, da – anders als zum Beispiel im abgeschlossenen Arbeitsumfeld eines Steinbruchs oder Bergwerks – komplexe technische und sicherheitstechnische Herausforderungen existieren“, schätzt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V., die Entwicklung ein. Deutlich realistischer und für die Bauwirtschaft greifbarer seien ihm zufolge der Einsatz „intelligenter“ Baumaschinen mit halbautomatisierten, automatisierten oder unterstützenden Funktionen – und dies bei ausgewählten Bauprozessen, beispielsweise im Erd-, Straßen- oder Spezialtiefbau. „Solche Lösungen haben das Potenzial für merkliche Effizienz- und Produktivitätssteigerungen“, unterstreicht Müller. So könnten sie den Maschinenführer bei sich wiederholenden und ermüdenden Tätigkeiten entlasten.
Auch darauf hatte Caterpillar auf der bauma eine Antwort parat: Ein Kettenbagger 325 der neuesten Generation war exemplarisch mit dem Assistenzsystem Cat Grade Assist 2D Advanced ausgestattet worden, das für halbautonome Aushubfunktionen sorgt. Während Cat Grade mit 2D-Steuerung ein reines Anzeigesystem ist, das Fahrer mit Informationen zu Höhe sowie Neigung und damit beim Aushub unterstützt, geht Grade Assist 2D Advanced noch einen Schritt weiter.
Cat Grade Assist 2D Advanced bietet die vollautomatische Führung der Löffelschneide für Höhe, Quer- und Längsneigung an. Das macht es für den Fahrer einfacher, die geforderte Genauigkeit einzuhalten, um Ausleger- und Stielbewegungen für präzisere Abtragungen mit weniger Aufwand zu automatisieren. Der Maschinist wählt die gewünschte Zieltiefe und Zielneigung aus und erhält entsprechende Anweisungen zu Tiefe, Neigung und horizontalem Abstand zum Planum. So lässt sich schnell der gewünschte Abtrag erreichen und so übermäßiger Materialabtrag vermeiden. Unterstützend bekommt der Fahrer akustische Höhen- und Tiefenwarnungen, die auf das Erreichen des gewünschten Ziels oder auf Abweichungen hinweisen. Dadurch gelingen präzise Abtragungen in kürzerer Zeit. Dank der Anzeige in der Fahrerkabine für Löffelposition und Planiertiefe lassen sich eine höhere Genauigkeit und Produktivität erzielen. Somit können auch weniger geübte Fahrer ein hohes Qualitätsniveau erreichen und ihre Arbeitseffizienz steigern. Und es braucht nicht einen weiteren Mitarbeiter zum Abstecken, der das Arbeitsergebnis um die Baumaschine herum prüfen muss. Darüber hinaus erweitert Grade Assist 2D Advanced das standardmäßige 2D-System auch um die Möglichkeit zur Planung vor Ort. Ein zusätzlicher Touchscreen ermöglicht das Anzeigen, Eingeben und Bearbeiten von Längs-/Quergefälle sowie Profilstücken vom Fahrersitz aus, sodass die Arbeitsschritte entsprechend nach der Ausführungsplanung ausgeführt werden können. Wird 2D zu 3D erweitert, können Fahrer dann auch noch komplexe Geländemodelle durch satellitengestützte Positionsanzeigen in Echtzeit realisieren. GNSS-Empfänger auf dem Bagger und Positionierung gewährleisten die notwendige Genauigkeit zum Erstellen dreidimensionaler Entwürfe.
Damit nicht genug: Zeppelin hatte zur bauma weitere Cat Assist-Technologien im Gepäck, mit denen die Produktivität auf der Baustelle gesteigert werden kann. Die zur Verfügung stehenden Systeme reichen vom serienmäßigen Assistenzsystem Slope Assist, was die Quer- und Längsneigung einer Cat Raupe zur schnellen und einfachen Referenz auf dem Hauptmonitor anzeigt, bis hin zur werkseitig vollständig integrierten Cat Grade 3D-Maschinensteuerung, wie sie etwa für die Cat Kettendozerfamilie ab der D2 bis zur D8 verfügbar sind. Genutzt wird dann unter anderem GNSS zur Steuerung der Schildpositionen. Diese werden dann vollautomatisch den Konturen des zuvor erstellten dreidimensionalen Geländemodells angepasst. Vorteile ergeben sich in allen Arbeitsphasen, von der Erdbewegung bis zum Feinplanum, die schneller zum gewünschten Ergebnis führen und die Kosten für Nacharbeiten verringern. Cat Grade 3D in Verbindung mit AutoCarry bietet sich speziell bei der großen Massenbewegungen an, wobei AutoCarry den Schildhub automatisiert und so die nötige Schildfüllung beibehält und währenddessen Kettenschlupf reduziert. Unterstützt werden erfahrene Fahrer dabei, produktiver zu arbeiten und über einen langen Zeitraum hinweg die Genauigkeit beizubehalten – weniger erfahrene Fahrer steigern schnell ihre Produktivität und erfüllen Baupläne in kürzerer Zeit. Auf dem Display in der Instrumententafel liegt der Bauplan als dreidimensionales Geländemodell direkt vor dem Fahrer, der ihn nur noch abarbeiten muss.
Doch die nächste Entwicklungsstufe ist bereits auf dem Vormarsch. Dank Augmented Reality lassen sich digitale Geländemodelle hochpräzise in die reale Gelände- und Baustellensituation vor Ort integrieren. Dafür nötig sind GNSS-Empfänger in Kombination mit der Trimble Augmented Reality Camera, um sich digitale Geländemodelle zusammen mit dem Kamerabild von der realen Situation auf dem Bildschirm der Baumaschine wirklichkeitstreu und präzise darstellen zu lassen. Baggerfahrer können dann so die Modelle mit der Ist- Situation abgleichen, den Baufortschritt ableiten oder mögliche Probleme erkennen und rechtzeitig reagieren. Vorhandende Infrastruktur oder die zukünftige Form von Geländeoberflächen lässt sich dann damit besser verstehen. Auch das soll dem Maschinisten in Zukunft seine Arbeit erleichtern und ihn bei seiner Tätigkeit so gut wie möglich unterstützen.