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Schutzschild für Baumaschinen

23.01.2025

Was der Airbag für Autofahrer, ist Hammerglass für den Baggerfahrer

HAMM (SR). Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem ergonomischen Bürostuhl im Homeoffice. Ihr Schreibtisch ist im Idealfall höhenverstellbar, positioniert vor einem Fenster mit Blick ins Grüne. Sie haben einen leistungsfähigen Rechner vor sich mit Blaufilter. Für Ihre Unterlagen gibt es ausreichend Platz und Stauraum. Daneben ein frischgebrühter Kaffee. Und nun das Kontrastprogramm: Sie sitzen in einem Bagger. Die Kabine vibriert, sobald der Löffel in den Untergrund eintaucht und Material abzieht. Es wackelt und ruckelt, was auf die Bandscheiben geht. Zu allem Überfluss sind die Arbeitsbedingungen auch noch gefährlich, weil hin und wieder im Kugelbetrieb gearbeitet wird und damit zu rechnen ist, dass Steine wie scharfe Wurfgeschosse die Scheibe treffen können und dann die Scheibe zersplittert. „Ein solches Szenario ist in Deutschland leider immer noch allgegenwärtig, auch wenn es unnötig ist und es eine Möglichkeit gibt, die Arbeit mit Baumaschinen für Maschinisten sicherer zu machen“, erklärt Marius Schiller, Senior Sales Manager für Zentral- und Osteuropa von Hammerglass. Das Unternehmen aus Schweden hat sich auf Scheiben aus hartbeschichtetem Polycarbonat spezialisiert, die im Gegensatz zu Glas bruchsicher, von beiden Seiten gehärtet und zudem UV-beständig sind.

1993 begann der Hersteller von Sicherheitsverglasung in Schweden, eine Oberflächenbeschichtung aus Siliziumdioxid zu entwickeln und sich patentieren zu lassen. Sie macht Scheiben bruchsicher, diffusionsdicht, chemikalienbeständig, feuerfest und abriebfest. Bezüglich Haltbarkeit entspricht sie der Kategorie P8B. „Beim P8B-Test wird die Scheibe mit 70 Axtschlägen getestet. Hammerglass besteht diesen Test. Hersteller von Baumaschinen wie Caterpillar bauen in der Regel Glasscheiben ein, welche höchstens die Anforderungen P5A erfüllen. Sicher gegen Steinschlag sind diese selbst dann nicht, wenn sie laminiert oder durchwurfhemmend sind“, erklärt Marius Schiller. Die Steine fliegen dann nicht unbedingt auf den Fahrer, aber die Scheibe ist zumindest gebrochen. Eine Option, die Firmen deswegen als FOPS-Schutz wählen: Sie rüsten ihre Baumaschinen mit einem Schutzgitter vor der Kabine aus. „Vielen ist gar nicht klar, dass es noch besser geht. Denn damit verbringen manche Fahrer ihre Arbeitszeit sprichwörtlich gesehen hinter Gittern“, beschreibt Marius Schiller die Situation, indem er auf Abbruchgitter vor der Kabine anspielt. Sie dienen zwar dem Schutz, doch schränken sie die Sicht für den Maschinisten deutlich ein, so das Argument. „Wer auf Gitter setzt, dem muss auch klar sein: Gitter sind keine hundertprozentige Sicherheit. Ein spitzer Stein kann trotzdem durch die Zwischenräume durchfliegen und die Scheibe durchbrechen. Unsere Scheibe bietet jedoch genug Widerstand“, meint Marius Schiller. Trifft ein Stein eine Scheibe aus Polycarbonat, kann sie die Energie aufnehmen – das liegt an den Eigenschaften des Materials, das 300 mal stärker und flexibler als Glas ist und deswegen nicht brechen kann. Glas ist wiederum härter und verkratzt dagegen nicht so leicht. Bei Hammerglass lässt sich die zwölf Millimeter dicke Scheibe daher mit einer zusätzlichen Verschleißscheibe schützen.

Doch was passiert mit den Scheiben, wenn nun wie auf Baustellen, insbesondere im Abbruch, oder im Steinbruch gearbeitet wird, wo in der Regel feine Staubpartikel in der Umgebung unausweichlich sind? „Fahrer sollten ohnehin immer dafür sorgen, dass ihre Scheiben sauber sind, damit sie eine gute Sicht haben“, rät Marius Schiller und fügt hinzu: „Damit die Scheiben nicht verschmieren, gibt es ein Relais, mit dem der Einsatz des Scheibenwischers verzögert wird und erst Wasser über die Scheibe läuft, bevor der Wischer sich in Bewegung setzt.“

Hammerglass-Scheiben lassen sich nachträglich in Baumaschinen integrieren – ein bis zwei Stunden Einbauzeit setzt das Unternehmen im Durchschnitt dafür an. Der Rahmen ersetzt die Original-Glasscheibe und wird an denselben Punkten wie das Abbruchgitter verschraubt. Extra Schweißnähte oder zusätzliche Schraubverbindungen sind nicht erforderlich. Die Montage übernimmt der Baumaschinenlieferant. Im Fall von Cat Geräten ist es Zeppelin und eine der 35 Niederlassungen in Deutschland. „Viele Kunden kennen immer noch nicht die Vorteile der Sicherheitsverglasung, dabei kann sie im Ernstfall Leben retten“, meint Andreas Zurawka, Serviceberater der Zeppelin Niederlassung Hamm, der Kunden beim Einsatz berät und dabei immer wieder Überzeugungsarbeit leisten muss, weil vielen die Vorteile nicht bekannt sind.

Die Polycarbonat-Scheiben bieten sich für Baumaschinen ab 20 Tonnen Einsatzgewicht aufwärts an, die im Abbruch oder in einem Steinbruch (insbesondere im Kugelbetrieb) arbeiten, im Recycling tätig sind, Aufgaben in der Stahlproduktion und Schlacke-Entsorgung übernehmen oder bei der Kampfmittelbergung unterstützen. Für letzteren Einsatz werden jedoch mitunter auch noch stärkere Geschütze zur Sicherheit der Mitarbeiter aufgefahren, wie Panzerverglasung und besonders dicke Bodenplatten aus Stahl, die unter den Boden der Kabine geschweißt werden. „Manchmal kann es aber auch Sinn machen, Kompaktmaschinen wie einen Minibagger mit unseren Scheiben auszurüsten, der dann im Glasfaserausbau tätig ist und den Asphalt aufbrechen muss“, meint Marius Schiller.

Welche Art von Scheiben eingebaut werden, liegt am Sicherheitsniveau und an der Tätigkeit der Baumaschinen. In der Schutzklasse eins weisen die Hammerglass-Frontscheiben sechs bis acht Millimeter Dicke auf. Muss bei Arbeiten mit Steinschlag oder Explosion gerechnet werden, sind die Scheiben noch dicker und haben eine FOPS2-Zulassung. Diese gibt es nur, wenn verschiedene Tests erfolgreich absolviert wurden. Hierzu kommt etwa der Abriebschutz, UV-Schutz, die ECE-Richtlinie R43, aber auch die Prüfung der Durchbruchhemmung nach DIN EN 356 auf den Prüfstand. Die höchste Schutzklasse wird nötig, wenn Druckwellen durch Detonationen auftreten können. Das Maß für die Durchbruchhemmung ist ein Projektil, das ein Kilogramm wiegt und mit rund 450 km/h gegen die Scheibe prallt, was einem großen Stein entspricht. „Das muss unsere Scheibe aushalten können. Was der Airbag für Autofahrer, ist eine Polycarbonat-Scheibe für den Baggerfahrer“, zieht Marius Schiller den Vergleich.

Wer im Büro oder Homeoffice arbeitet, ist nicht den Gefahren ausgesetzt wie ein Fahrer von Baumaschinen. „Doch auch diese Mitarbeiter haben das Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz und dass sie nach getaner Arbeit auch sicher wieder nach Hause kommen. Nur passieren leider immer noch vermeidbare Unfälle, weil das Glas einer Kabine bricht, obwohl sich das vermeiden ließe. Neben einem ungeplanten Betriebsunfall kann es dann auch noch zu Ausfallzeiten kommen. Für ein Unternehmen bedeutet das finanzielle Verluste. Die Baumaschine muss in die Werkstatt, weil eine neue Scheibe installiert werden muss. Diese ist vielleicht nicht vorrätig, muss erst bestellt werden und solange kann auf der Baustelle nicht weitergearbeitet werden. Das ist alles unnötig, wenn man weiß, dass Polycarbonat im besten Fall Leben retten kann, nicht wesentlich teurer ist als herkömmliche Lösungen und leicht ersetzt werden kann“, meint Marius Schiller. Das macht die Hammerglass-Scheiben ihm zufolge auch zu einer nachhaltigen Lösung. Um die Nutzungsdauer zu erhöhen, gibt es darüber hinaus noch den Plan B in Form einer ScreenSave-Schutzfolie. Sie verhindert Kratzer an der Baumaschine, ähnlich wie die Schutzfolie von Smartphones. 

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Bild 1: Hammerglass-Scheiben lassen sich nachträglich in Baumaschinen integrieren. Der Rahmen ersetzt die Original-Glasscheibe und wird an denselben Punkten wie das Abbruchgitter verschraubt.

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Bild 2: Die Scheiben sind aus hartbeschichtetem Polycarbonat und im Gegensatz zu Glas bruchsicher, von beiden Seiten gehärtet und zudem UV-beständig.           Fotos: Zeppelin/Hammerglass

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Bild 3: Diese Scheibe soll in Zukunft einen Baggerfahrer schützen.          

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